Zur Geschichte

Kirche oder Saustall?

(Aus dem Pfarrarchiv geplaudert)

Vor 110 Jahren gab es im Herbst einen heftigen Disput zwischen dem Gemeinderat von Wenigumstadt, dem Pfarramt und dem Ordinariat in Würzburg. Edmund Jakob hat dazu eine interessante Akte im Pfarrarchiv entdeckt.

Worum ging es dabei?

1903 wurde die neu erbaute Kirche eingeweiht, und ihre Vorgängerin wurde nicht mehr gebraucht. Deshalb wurde sie profaniert und ging 1905 in den Besitz der Gemeinde über. Jetzt stellte sich natürlich die Frage: Was machen wir mit dem alten, maroden Gebäude? Es wurde zunächst als Feuerwehrhalle genutzt. Ansonsten gab es viele Ideen, von denen aber bis nach dem Zweiten Weltkrieg keine umgesetzt wurde. Ein Vorschlag aber, der ziemlich verrückt klingt, wurde tatsächlich angegangen: Ein Faselstall sollte in die ehemalige Kirche eingebaut werden, also ein Stall für den Gemeindebullen und den Gemeindeeber, die darin für reichlich Nachwuchs in den Ställen der Wenigumstädter Bauern sorgen sollten. Dass sich dagegen Widerstand regte, ist verständlich. „O wie pietätlos!“ Dem damaligen Gemeindepfarrer Bernhard Lichtenebert gelang es auch, den Gemeinderat von dieser Idee abzubringen.

Aber damit war die Sache noch lange nicht erledigt. Denn bald war ein neuer Vorschlag da: ein Anbau an die Kirche auf dem „Kirchhof“. Den Grundriss dieses geplanten Gebäudes zeigt das dunkel gezeichnete Rechteck auf dem Lageplan. Der Bauplan war schon in allen Einzelheiten ausgearbeitet und ist noch heute einsehbar. Dieses Vorhaben war zwar nicht grundsätzlich verboten, doch das Bischöfliche Ordinariat in Würzburg äußerte in einem Brief an das Pfarramt erhebliche Bedenken: „Wenn auch die Bebauung eines aufgelassenen Friedhofs nicht verboten ist, so widerspricht es der Pietät gegen die Verstorbenen, auf einem Friedhofsgrunde einen solchen landwirtschaftlichen Bau aufzuführen, wie der in Wenigumstadt geplante. Es wird deshalb dem Pfarramte nahegelegt, die Gemeinde daran zu erinnern, daß die Umfriedung der alten Kirche ehedem „Gottesacker“ geheißen hat, auf welchem die Vorfahren der jetzigen Generation als Samenkörner eingesenkt wurden für den Tag der Auferstehung. …“ Am Ende des Briefes wird das Pfarramt beauftragt, „von diesem unserem Schreiben der Gemeinde Kenntnis zu geben und dieselbe entsprechend zu belehren.“ Pfarrer Lichtenebert hat auch diesen Auftrag erfolgreich erledigt, und die Gemeinde hat ihr fertig durchgeplantes Vorhaben nicht umgesetzt.

Theoretische Frage: Wenn man damals in den maroden Bau einen Stall eingebaut hätte, wäre dann aus der Alten Kirche noch einmal ein solches Schmuckkästchen geworden?

(EH 2023)


Neuer Text

14-Nothelfer-Kapelle wird 325 Jahre alt

Die 14-Nothelfer-Kapelle in Wenigumstadt kann auf ein stolzes Alter zurückblicken. Es gibt zwar keinerlei Unterlagen über die Baugeschichte, aber eine Notiz in der ältesten Matrikel der Pfarrei. Darin ist zu lesen, dass Weihbischof Dr. Starck aus Mainz am 4. 9. 1698 drei Altäre in Mosbach weihte, ebenso am 6. 9. in Radheim und am 6. 9. 1698 …“Sacellum … extra pagum prope wenigenumbstatt sub honore 14 auxiliatorum et Sti. Valentini“(… eine Kapelle … außerhalb des Dorfes nahe Wenigumstadt zu Ehren der 14 Nothelfer und des Hl. Valentin).

Dies geschah 50 Jahre nach dem Ende des 30-jährigen Krieges, in dem das Dorf weitgehend zerstört war und nur ein winziger Teil der Einwohner überlebt hatte. Nach dem Krieg kamen Einwanderer, vorwiegend Wallonen aus der Diözese Lüttich, die das Dorf wieder besiedeln sollten. Dabei gab es natürlich auch Probleme mit den verbliebenen Wenigumstädtern, weil z. B. die Zuwanderer ihre eigenen Pfarrer mitbrachten, die nicht alle der deutschen Sprache mächtig waren. Erst unter dem fünften wallonischen Pfarrer, Johannes Balduini, hatten sich die Beziehungen normalisiert. Balduini blieb 39 Jahre, bis zu seinem Tod, Pfarrer in Wenigumstadt (außerdem in Mosbach und Radheim), so lange wie kein anderer Pfarrer vor oder nach ihm. In seiner Amtszeit wurde nicht nur die Kapelle gebaut, sondern auch die Alte Kirche erneuert.

Zwei Besonderheiten birgt die Kapelle: ein Grab und ein besonderes Bild.

Im Fußboden ist eine Grabplatte eingelassen mit Balduinis Lebensdaten. Dieses Grab war ursprünglich unter dem Chor der 1718/19 neu erbauten „Alten Kirche“. Beim Abbruch des mittelalterlichen Turmes 1911 wurde es verschüttet und geriet in Vergessenheit. Als dort 1918 eine Wasserleitung gebaut wurde, fand man es wieder zwischen den Turmfundamenten. Im Jahr darauf übertrug man die sterblichen Überreste in einer feierlichen Prozession in die Kapelle.

Die zweite Besonderheit ist das große Tafelbild der 14 Nothelfer. Es ist eine Kopie des Originalbildes, das wegen des besseren Schutzes in der Pfarrkirche hängt. Die Kunsthistorikerin Frau Dr. Güterbock, wollte die Herkunft dieses Bildes klären, denn die bekannten Erzählungen lassen sich nach neueren Erkenntnissen nicht mehr aufrechterhalten. Dazu untersuchte sie das Original eingehend bis in jede Gewandfalte und verglich es mit anderen Bildern. Sie fasst das Ergebnis ihrer Forschungen so zusammen: „Schließlich handelt es sich bei unserem Tafelbild um ein Originalgemälde von Hans von Kulmbach, dem Lieblingsschüler, Mitarbeiter und Freund Albrecht Dürers, dessen Besitz jeder Galerie zur Ehre gereichen würde“.

Dieses Bild, auf das die Wenigumstädter stolz sein können, ist im letzten Jahr 500 Jahre alt geworden. Durch seine Gestaltung nimmt es unter zahlreichen 14-Nothelfer-Bildern eine Sonderstellung ein. (EH)

Das 14-Nothelfer-Tafelbild in Wenigumstadt

-500 Jahre alt und voller Geheimnisse-


Das Wenigumstädter 14-Nothelfer-Tafelbild schmückt seit vielen Jahren die 14-Nothelfer-Kapelle. Wann und woher es dorthin kam, ist unbekannt. Schriftstücke von 1881 zeigen, dass es damals als Antependium verwendet wurde und vermutlich deshalb verkleinert werden musste. Erst in diesen Jahren erkannte man wohl den hohen künstlerischen Wert des von Schimmel überzogenen Gemäldes und forderte dessen Rettung und Entfernung aus der Kapelle. Man zerlegte es in acht Teile und lagerte es auf dem Speicher des Pfarrhauses. Nach einer Restaurierung durch den Maler Gotthold J. Rettinger kam es wieder in die Kapelle, diesmal wahrscheinlich als Altarbild. Nach einer unsachgemäßen Behandlung mit Öl wurde es 1903/04 im Auftrag der Zentral-Gemäldegalerie München von Professor Hauser gereinigt und restauriert. Dann wurde es in die von 1900 bis 1903 neu erbaute Pfarrkirche St. Sebastian gebracht, damit es besser geschützt war. Eine weitere Restaurierung erfolgte nach dem zweiten Weltkrieg durch den aus Magdeburg stammenden Restaurator Koch. Die Kapelle erhielt eine Kopie, deren Herkunft unbekannt ist

                   

Woher kommt aber dieses Bild?

In früheren kunstgeschichtlichen Würdigungen des Gemäldes kehrt die Behauptung wieder, es sei „ein sehr repräsentatives Gemälde der großen Kölner Schule“ aus dem Zeitraum von 1460 – 1520. Man vermutete, nach dem 30-jährigen Krieg sei es zusammen mit dem Vierzehn-Nothelfer-Kult von wallonischen Einwanderern mitgebracht worden, wofür dann die 14-Nothelfer-Kapelle gebaut worden sei. So wurde es auch in einem Wenigumstädter Heimatspiel dargestellt: Die Einwanderer mit ihrem Pfarrer Balduini bringen das Nothelfer-Bild mit.

Das ist aber äußerst unwahrscheinlich. Warum?

Nach dem heutigen Wissensstand stellt sich diese Geschichte anders dar als im Heimatspiel erzählt. Die Wallonen kamen nämlich nicht als eine geschlossene Gruppe mit Pfarrer Balduini nach Wenigumstadt. Eine erste Einwanderungswelle kam zwischen 1651 und 1663, eine zweite um 1670/71. Pfarrer Balduini kam 1680 nach Wenigumstadt, nachdem er vorher schon eine Pfarrstelle in Faulbach versehen hatte. In dieser Zeit kamen nur noch einzelne Nachzügler aus dem wallonischen Land.

Auch das Bild, das man früher für ein „sehr repräsentatives Gemälde der großen Kölner Schule“ hielt, muss man heute anders einordnen. Dr. Hans H. Weber (Herausgeber des Buches „Wenigumstadt“ 1977) zitiert aus einem Gutachten des Wallraf-Richartz-Museums in Köln. Der Gutachter, Dr. Frank Günter Zehnder, kommt zu dem Schluss: „Doch sehe ich nach Vergleichen mit unseren Tafeln keinen zwingenden Grund, sie (die Darstellung der Vierzehn Nothelfer) in die Kölner Malerei einzugliedern. … Hinzu kommt, dass der Gegenstand der Tafel, die Vierzehn Nothelfer, in Köln nicht geläufig ist.“

Den Erzählungen widersprechen nicht nur neuere historische Fakten (s. o.), sondern auch ein Gutachten der Kunsthistorikerin Gotthilde Güterbock, die nach eingehenden Recherchen zu einem anderen Ergebnis zur Herkunft des Bildes kommt. Sie geht dabei von zwei Fragestellungen aus:                                                                                                                                                           

1. Woher kommt der Vierzehn-Nothelfer-Kult?                                                                             

2. Wo und bei welchem Künstler gibt es Ähnlichkeiten zu unserem Bild?

Zu Frage 1:

Die meisten Nothelfer kommen aus der oströmischen Kirche. Dort scheint sich auch eine Heiligengruppe gebildet zu haben (Vierzehn in Verdopplung der heiligen Zahl Sieben), die sich rasch gefestigt und ausgebreitet hat. Sie erreichte durch das Donautal aufwärts Wien und um 1300 Regensburg, bis sie in der Freien Reichsstadt Nürnberg eine bevorzugte Heimstatt fand. „In keiner deutschen Stadt wird in den nächsten Jahrzehnten (nach 1350) eine auch nur annähernd gleiche Zahl von Altären zu Ehren den heiligen Nothelfer geweiht. Aber damit noch nicht genug: Patrizier und Bürgerschaft bauen ihnen zu Ehren Kapellen, Kirchen, Spitäler … stiften Altäre und Glasfenster“. Der Höhepunkt des Vierzehn-Nothelfer-Kultes wurde um die Mitte des 15. Jh. erreicht, als er sich in den Nachbarregionen Nürnbergs und bis nach Oberfranken verbreitete. Dazu half auch die Erscheinung des Jesuskindes mit den Vierzehn Nothelfern, die ein Schäfer in Frankental, dem späteren Vierzehnheiligen, erlebte. Künstler wie Michael Wolgemut, Mathis Gothardt Neithardt (Matthias Grünewald), Lukas Cranach d. Ä und Albrecht Dürer malten fleißig Bilder, Altäre und gestalteten Glasfenster. A. Dürer, ein Anhänger Luthers, unternahm noch 1520, kurz vor der Einführung der Reformation in Nürnberg (1525), mit seiner Gattin eine Wallfahrt nach Vierzehnheiligen.

Zu Frage 2:

Die Kunsthistorikerin Gotthilde Güterbock unternahm den Versuch, den Maler unseres Bildes zu finden. Sie verglich die dargestellten Heiligen mit Vergleichsbildern aus dem Nürnberger Raum, denn sie vermutete, dass unser Bild aus einer Nürnberger Werkstatt kommen muss. Sie nahm dazu die Kleidung der Heiligen unter die Lupe samt den Gewandfalten, die Farben, die Kopfbedeckungen, die Gestaltung der Attribute der Heiligen, die Symbolpflanzen u.a. und suchte nach Gemeinsamkeiten mit anderen Bildern. Besonders die Heiligen Georg und Erasmus fielen ihr dabei auf. Sie fand heraus, dass ein Kardinal, Albrecht von Brandenburg, sich öfter in der Figur des Hl. Erasmus hatte porträtieren lassen und stellte erstaunliche Übereinstimmungen fest. So kam sie zu dem Ergebnis, dass dieses Bild aus der Hand von Hans (Süeß) von Kulmbach stammt. Dieser war ein Schüler Albrecht Dürers und bis zu seinem frühen Tod 1522 sein Freund. 1511 erwarb er das Bürgerrecht in Nürnberg und gründete seine eigene Werkstatt. Auf Grund mancher äußerer Umstände muss man ihrer Meinung nach das Wenigumstädter Nothelfer-Bild in sein letztes Lebensjahr 1521/22 rücken. Somit wäre es also jetzt genau 500 Jahre alt.

Nun stellt sich noch die Frage: Wie kam dieses Bild nach Wenigumstadt?

Eine besondere Rolle scheint dabei Kardinal Albrecht von Brandenburg zu spielen, der mächtigste Kirchenfürst seiner Zeit. Er wurde 1506 zum Priester geweiht und vereinte bald drei Bistümer in seiner Hand: 1513 Erzbischof von Magdeburg und Administrator des Bistums Halberstadt, 1514 Erzbischof und 1518 Kardinal von Mainz (damit automatisch Kurfürst und Reichserzkanzler). Er glänzte weniger durch tiefe Religiosität als durch Kunstverständnis und Prachtliebe und förderte durch sein Mäzenatentum zahlreiche Künstler. Er ließ sich mehrmals in prächtigen Kardinalsgewändern porträtieren und schlüpfte auch in die Rolle von Heiligen, wobei er seinen Lieblingsheiligen Erasmus bevorzugte. Der 1518 von ihm erbauten Stiftskirche St. Moritz in Halle schenkte er seine umfangreiche Reliquiensammlung und auch Gemälde, darunter Erasmus-Gemälde, einen Reliquienschrein des Hl. Erasmus und eine silberne Heiligenbüste dieses Heiligen.

Von der Familie des Kardinals wurde der Nothelfer-Kult schon lange gefördert. Bereits 1453, wenige Jahre nach den Hirtenvisionen in Frankental (später Vierzehnheiligen), ließ seine Urgroßmutter, Kurfürstin Margarethe von Sachsen, bei Apolda eine Nothelfer-Kirche errichten. Ihre Tochter Anna heiratete den Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg in Ansbach und stiftete für die Klosterkirche in Heilsbronn einen Altar zu Ehren der Vierzehn Nothelfer. Markgräfin Anna wurde in dieser Kirche in einem Sarkophag mit umlaufendem Nothelfer-Bild beigesetzt. Ihr Enkel, Kardinal Albrecht, förderte die Nothelfer-Verehrung u. a., indem er in der von ihm neu ausgestatteten Stiftskirche St. Moritz in Halle einen reich verzierten, kostbaren Nothelfer-Altar errichten ließ.

Kardinal Albrecht nahm als Kirchenfürst 1522 am Reichstag in Nürnberg teil. Man kann annehmen, dass er dort auf das Nothelfer-Bild Kulmbachs aufmerksam wurde und nach dem Konfessionswechsel 1525 zum Schutz vor den „Bilderstürmern“ nach Aschaffenburg, seiner Nebenresidenz, in Sicherheit brachte. Dorthin verbrachte er nämlich 1541 auch Teile seines „Halleschen Heiltums“, seiner Reliquien- und Gemäldesammlung, aus dem evangelisch gewordenen Halle. Auch seine Erasmus-Bilder und ein Vierzehn-Nothelfer-Bild eines unbekannten fränkischen Malers befanden sich darunter. Kulmbachs Bild würde sich gut in diese Reihe einfügen. Im Stift Aschaffenburg hatte es auch größere Chancen, den 30-jährigen Krieg zu überstehen als in dem weitgehend zerstörten Dorf Wenigumstadt. Nach den Notjahren baute man hier mit Hilfe der wallonischen Einwanderer eine Kapelle zu Ehren der 14 Nothelfer und des hl. Valentin, die am 6. September 1698 geweiht wurde. Dafür könnte sich das in Aschaffenburg lagernde Gemälde als Altarbild angeboten haben. Da sich der offizielle Kunstgeschmack inzwischen verändert hatte, ist es denkbar, dass man Kulmbachs Bild ohne Bedenken nach Wenigumstadt abgab. (Man hat damals auch Grünewalds Altarbild aus der Seitenkapelle der Stiftskirche zerteilt und verkauft, dessen Mittelteil  später als „Stuppacher Madonnna“ berühmt wurde). Ob das Bild ursprünglich als Altarbild vorgesehen war, wissen wir nicht. Allerdings wurde es irgendwann rundum abgeschnitten, damit man es als Antependium, also zur Verkleidung des Altarunterbaus, verwenden konnte. Es blieb wohl zunächst weitgehend unbeachtet. Erst eine Inspektion des Bezirksamtes Obernburg 1880 erkannte „den hohen Kunstwerth des Gemäldes, das von Schimmel überdeckt an seinem jetzigen Platz zu Grunde gehen würde“. Der Kunstmaler Gotthold J. Rettinger restaurierte 1881 dieses Bild und schrieb darüber später in einem Brief: „Wir fanden, Hochwürden Herr Pfarrer Weis und ich, das Bild in 8 Theilen zerlegt auseinanderliegend auf dem Pfarrspeicher.“ 1903 wurde es in der Bayerischen Zentral-Gemälde-Galerie-Direktion wiederum restauriert und in der neu erbauten Pfarrkirche angebracht. Die Kapelle erhielt eine Kopie.

Frau Güterbock fasste nach ihren umfangreichen Nachforschungen alle Erkenntnisse wie die Teile eines Puzzles zusammen und kam wegen der Urheberschaft des Wenigumstädter Vierzehn-Nothelfer-Bildes zu folgendem Ergebnis:  „Schließlich handelt es sich bei unserem Tafelbild um ein Originalgemälde von Hans von Kulmbach, dem Lieblingsschüler, Mitarbeiter und Freund Albrecht Dürers, ein Werk, dessen Besitz jeder Galerie zur Ehre gereichen würde.“

Dieses Ergebnis erscheint nach all den von ihr angeführten Fakten plausibel. Auch der mögliche Weg nach Wenigumstadt ist so vorstellbar. Allerdings gibt es darüber keine schriftlichen Unterlagen mehr. Erst 1881 wird das Bild in der Kapelle erwähnt. Es muss aber schon vorher in der Kapelle gewesen sein. Darum ist die Vermutung nahe liegend, dass es schon 1698 zur Einweihung der Vierzehn-Nothelfer-Kapelle in Wenigumstadt war.


Das Vierzehn-Nothelfer-Tafelbild in Wenigumstadt (2. Teil)


Durch die Forschungen der Kunsthistorikerin Gotthilde Güterbock ist die Herkunft unseres 14-Nothelfer-Bildes plausibel erklärt und wir wissen, dass dieses Kunstwerk genau 500 Jahre alt ist (s. Teil 1).

Jetzt ist noch die Frage offen: Wer ist eigentlich auf diesem Bild dargestellt?

Die wenigsten Betrachter können wohl alle diese Heiligen anhand ihrer Darstellungsweise identifizieren. Die Attribute, die sie bei sich haben, erzählen von ihrem Leben und besonders von ihrer Todesart. Alle vierzehn Nothelfer, bis auf den einzigen Nichtmärtyrer Ägidius, wurden grausam ermordet. Das Datum neben den Namen nennt den Gedenktag der Heiligen im Kirchenkalender; meistens ist es ihr Todestag.


Hier die Namen in der Reihenfolge des Bildes:

Vordere Reihe von links nach rechts:                                                                                                   

-Cyriakus: 8. August, mit Palmzweig (Märtyrer)                                                                           

-Dionysius: 9. Oktober, im Bischofsornat, mit dem abgeschlagenen Kopf in den Händen           

-Barbara: 4. Dezember, mit Turm und Hostienkelch                                                                           

-Katharina: 25. November, mit Buch, Schwert und zerbrochenem Rad                                           

-Maria: mit Krone, auf der Mondsichel stehend, das Jesuskind im Arm. Sie gehört nicht zu den Nothelfern, sondern nimmt als Gottesmutter eine Sonderstellung ein.                                                                                                                                                 

-Margaretha: 20. Juli, mit Buch und Kreuzstab, mit dem sie den Drachen (=Teufel) tötet         

-Blasius: 3. Februar, im Bischofsornat mit brennender Kerze                                                           

-Ägidius: 1. September, mit Buch und Hilfe suchender Hündin (eigentlich Hirschkuh)               

-Veit (Vitus): vornehmes Gewand, Barett und Öllampe                                                         

Hintere Reihe von links nach rechts:                                                                                                     

-Christophorus: 24. Juli, Riese, das Jesuskind auf den Schultern tragend, mit Stab (Baum)       

-Eustachius: 20. September, federgeschmücktes Barett, Hirschgeweih mit Kruzifix                   

-Georg: 23. April, mit Kreuzfahne                                                                                                         

-Erasmus: im Pontifikalgewand, mit Mitra                                                                                           

-Pantaleon: mit auf den Kopf genagelten Händen                                                                               

-Achatius: 27. Juli, mit Dornenast

Unsere Heiligen entsprechen genau der „Regensburger Reihe“, die sich im 14. Jahrhundert entwickelte und im 15. Jahrhundert in den Bistümern Bamberg, Regensburg und Würzburg endgültig festgelegt wurde. Gelegentlich wird aber auch ein regional besonders verehrter Heiliger gegen einen aus der üblichen Reihe ausgetauscht, z. B. Leonhard, Nikolaus, Sebastian oder Wolfgang. Zu Füßen des Hl. Blasius kniet eine Frau mit einer Kerze, vermutlich die Stifterin des Bildes.

Eine Besonderheit des Wenigumstädter Bildes ist, dass die Damen gemeinsam in der Mitte platziert sind und von den Herren eingerahmt werden. Diese drei Damen (ohne Maria) werden oft auch als Dreiergruppe dargestellt. Dazu gibt es den Spruch:                                                  „Margaretha mit dem Wurm (Drache),                                                                                   

Barbara mit dem Turm,                                                                                                           

Katharina mit dem Radl,                                                                                                                   

das sind die drei heiligen Madl.“

Ein Beispiel zur Bedeutung der Attribute der Heiligen: Katharina von Alexandrien trägt eine Krone, weil sie der Legende nach die Tochter des ägyptischen Königs Costus von Alexandrien war. Das Buch soll auf ihre Gelehrsamkeit hinweisen. Das Schwert zeigt, dass sie enthauptet wurde. Das zerbrochene Rad soll sagen, dass sie vor der Enthauptung noch gerädert wurde, eine besonders grausame Art des Martyriums.

Es lohnt sich, dieses Bild einmal aus der Nähe zu betrachten, entweder als Original in der Pfarrkirche St. Sebastian oder als Kopie in der Vierzehn-Nothelfer-Kapelle. (EH 2022))

Bibel von Pfarrer Balduini (1680 – 1719) entdeckt?

Vor einiger Zeit wurde dem Ehrenvorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins Wenigumstadt, Günter Deboy, ein dickes, sehr altes Buch überreicht (Bild 1), das aus Mosbach kam, eine vermutete Bibel. Es löste beim HGV einiges Rätselraten aus.

Es enthält fast 1000 Seiten. Dem Papier sieht man auf den ersten Blick sein hohes Alter an. Die Bindung war schon ziemlich lose, so dass die Gefahr bestand, dass das Buch auseinanderfallen könnte. Auf dem Ledereinband sind Schmuckornamente eingeprägt, zur Verstärkung sind die Buchdeckel mit dünnen Holzplatten unterlegt. An den Kanten der Buchdeckel sind noch Reste eines Metallverschlusses vorhanden (Bild 2). Der Buchtitel auf dem Buchrücken ist kaum zu entziffern, und das vordere Titelblatt fehlt, was das Rätselraten erschwert, aber dafür den Forschergeist angestachelt hat.

Was soll man mit einem solchen Buch anfangen? Artur Jakob nahm sich des Patienten an und versuchte als „Notarzt“ in mühevoller, aufwendiger Kleinarbeit zu retten, was noch zu retten war. Dazu hat er zunächst den Buchrücken neu gebunden, damit das Buch nicht auseinanderfällt. Zum Schluss hat er passend zum Original einen Umschlag gebastelt, den man zum Schutz um den alten Einband legen kann. Dann konnten Edmund Jakob und Erwin Hegmann mit den eigentlichen Recherchen beginnen.

Nachdem man den Titel mit einiger Phantasie entdeckt zu haben glaubte, konnte man im Internet ein Titelblatt (Bild 3)als Vergleichsstück heranziehen. Das war zwar auch nicht einfach zu entziffern, aber der Titel war nun klar: „PAEDAGOGUS CHRISTIANUS“, also „Der christliche Erzieher“. Der umfangreiche Untertitel lautet: „Rechte Underweisung eines Christens. Erstlich Auß Göttlicher und Heiliger Vättern Schrifften zusammengezogen mit Argumenten, Beweißtumben Gleichnussen und Historien bestettget, erkläret …“ Damit war klar, dass es keine Bibel ist, sondern ein theologisches Handbuch für die tägliche Arbeit eines Pfarrers. In unzähligen Kapiteln werden alle wichtigen Themen aus dem Lebenslauf und aus dem Ablauf des Kirchenjahres behandelt, z. B. „Vom Fluchen und Schwören“, „Von der Unkeuschheit“, „Worin die Heilige Meß bestehe“, „Von der Liebe deß Nechsten“, „Mittel einen seligen Todt zu erlangen“, u. a. Damit ist zunächst geklärt, dass dieses Buch keine Bibel ist.

Das Original wurde in französischer Sprache verfasst von P. Philippe d´ Outreman, einem Theologen des Jesuitenordens. Ein weiterer Jesuit hat es später ins Lateinische (die Kirchensprache) übersetzt, und ein Mitglied des Karmelitenordens übertrug es schließlich „in die Hochteutsche Sprach“. Es war offenbar ein Verkaufsschlager, denn im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts erschienen mehrere Auflagen und zu Beginn des 18. Jahrhunderts folgten noch einige weitere. Das vorliegende Vergleichsblatt mit dem Titel gibt als Erscheinungsjahr an „Anno M.DC.LXIV“, also 1664. In diesem Jahr erschien die erste Auflage in deutscher Sprache.

Nun ist noch zu klären, ob dieses Buch zu Pfarrer Balduini passt. Balduini ist wohl der bekannteste Priester in der Geschichte Wenigumstadts. Nach dem 30-jährigen Krieg wurde das fast ausgestorbene Dorf durch wallonische Einwanderer wieder besiedelt, die auch ihre Pfarrer mitbrachten. Balduini war der fünfte und letzte dieser wallonischen Pfarrer. Er wirkte hier 39 Jahre lang, von 1680 -1719, länger als jeder andere Geistliche. Er erwarb sich große Verdienste, u. a. war er für den Bau der 14-Nothelfer-Kapelle und der Alten Kirche verantwortlich. Sein Grab ist heute noch in der Kapelle zu sehen. Das theologische Handbuch passt genau in Balduinis Zeit, denn damals war dieses Buch sehr verbreitet.

Jetzt könnte man noch fragen: Wie kommt dieses Buch nach Mosbach? Ganz einfach: Nach dem 30-jährigen Krieg hatte Mosbach keinen eigenen Pfarrer. Der Wenigumstädter Pfarrer musste neben seinen Filialen Radheim und Häuser Hof auch noch Mosbach mit seiner Filiale Dorndiel mitversorgen, bis Mosbach 1750 wieder selbständig wurde.

Fazit: Zeit und Ort passen genau zu Pfarrer Johannes Balduini. Deshalb kann man mit guten Gründen annehmen, dass Balduini dieses Buch in Gebrauch hatte. Es war für seine seelsorgerische Arbeit wohl sein wichtigstes Buch neben der Bibel. (EH 2022)

Einladung zum

„Tag des offenen Denkmals“

In diesem Jahr wird in Wenigumstadt wieder der „Tag des offenen Denkmals“ begangen. Der Grund: Unsere Alte Kirche wird 300 Jahre alt. Der Heimat- und Geschichtsverein Wenigumstadt will das gebührend feiern und hat zu diesem Anlass eine Veranstaltung aus drei Teilen geplant. Deshalb dauert der Tag des offenen Denkmals bei uns auch zwei Tage.

Es geht los am Samstag, 7. September um 20 Uhr mit einem Vortrag im Alten Rathaus zum Thema „300 Jahre Alte Kirche – Geschichte und Geschichten“. Referent ist Erwin Hegmann. Er wird nicht nur über das alte Gebäude sprechen, das ja jetzt wieder recht neu aussieht, sondern vor allem auch über das „Drumherum“. Wer weiß denn überhaupt noch, dass Radheim und der Häuser Hof fast 600 Jahre lang Filialen ihrer „Mutterkirche“ Wenigumstadt waren? Die Gläubigen durften deshalb nicht die Mosbacher Kirche besuchen, sondern sie mussten weitergehen. Wenn sie nun beim Kirchgang den Weg der Dorndieler kreuzten, die nach Mosbach mussten, ließen sich manche doch verleiten, in die Mosbacher Kirche abzubiegen. Wegen der engen Platzverhältnisse konnte es aber leicht passieren, dass sie mit handgreiflichen Argumenten „belehrt“ wurden, wobei auch ein Pfarrer gerne mal mitmischte. Wer hat schon einmal davon gehört, dass es damals in Aschaffenburg ein eigenes Gefängnis für Pfarrer gab, und in Schmerlenbach ein „Correctionsanstalt“, also eine Besserungsanstalt? Der Bedarf dafür war da, wie man aus den Akten ersehen kann. Etwa 100 Jahre wurde außerdem noch Mosbach mit seiner Filiale Dorndiel vom Wenigumstädter Pfarrer mit versorgt. Das bedeutete: Für einen Pfarrer gab es zwei „Präsentationsherren“, die den Pfarrer aussuchen durften. Dass der eine davon protestantisch war, machte die Sache gewiss nicht einfacher. Solche Geschichten, die kaum einer kennt, gibt es noch mehr.

Am Sonntag, 8. September um 10.30 Uhr geht es weiter mit einem Festgottesdienst in der Alten Kirche, den Herr Pfarrer Nimbler zelebriert. Schön, dass er das möglich gemacht hat an dem Platz, der etwa 1000 Jahre lang der geistliche Mittelpunkt von Wenigumstadt war. Anschließend wollen wir noch mit einem Glas Sekt auf das Geburtstagskind anstoßen. Gehbehinderte müssen sich nicht abhalten lassen, denn für sie gibt es einen Aufzug.

Der dritte Teil des Jubiläums findet am Sonntagnachmittag von 14 bis 17 Uhr in und um die Alte Kirche statt. Dort gibt es manches zu entdecken, das man bisher beim achtlosen Vorbeigehen vielleicht übersehen hat. Je nach Bedarf finden Führungen statt. Eine gute Gelegenheit, die Alte Kirche und ihre Umgebung besser kennen zu lernen!

Jeder ist zu dieser Veranstaltung herzlich eingeladen. Natürlich sind alle drei Teile der Veranstaltung für die Besucher kostenfrei.

Also schon mal vormerken:

    Samstag, 7. September im Alten Rathaus und

               Sonntag, 8. September in und um die Alte Kirche         (EH)

300 Jahre Alte Kirche –

Der Bauherr ruht in ihrem Schatten

In diesem Jahr wird unsere Alte Kirche 300 Jahre alt. Der für den Bau zuständige Pfarrer war der bekannte Johannes Balduini, der 39 Jahre in Wenigumstadt und seinen Filialen wirkte. Gleich nach der Vollendung seines großen Werkes starb er im Alter von 76 Jahren, noch vor der Weihe der Kirche. Sein Grab befindet sich heute in der Vierzehn-Nothelfer-Kapelle.

Auf der Seite der Gemeinde war der verantwortliche Mann Johann Peter Görtz. Als Landschöff vertrat er den Landesherrn, den Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Lothar Franz von Schönborn. An ihn erinnert heute nicht nur die Bauinschrift an der alten Kirche, sondern auch sein Grabstein an der restaurierten Mauer des ehemaligen „Kirchhofs“ rund um die Alte Kirche. Dieser und andere gut erhaltene Grabsteine wurden bei der Auflösung des alten Kirchhofs auf den neuen Friedhof gebracht. Nach der Erneuerung der Mauer des Kirchhofs wurden sie an dieser angebracht und sind nun wieder an ihrem ursprünglichen Platz.

Der Grabstein des Peter Görtz wird eingerahmt von den Steinen seiner Mutter Anna Catharina und seiner Ehefrau Susanne. Dieses Ehepaar brachte neun Kinder zur Welt, darunter sechs Mädchen, die auch wieder für zahlreichen Nachwuchs sorgten, z. B.in den Familien Deboy, Jakob und Jörg. So können viele alteingesessene Familien das Ehepaar Johann Peter  und Susanna Görtz zu ihren Vorfahren zählen. Der Familienname Görtz verschwand allerdings schon 1793 mit dem jüngsten Sohn Johann Georg. Das liegt daran, dass die männlichen Enkel von Peter und Susanna Görtz entweder früh starben oder als Erwachsene sich in anderen Orten niederließen.

Am Schicksal des jüngsten Sohnes Johann Georg kann man einiges über die damaligen Zeitumstände erfahren. Er war zunächst Schulmeister in Dorndiel und wurde 1758 nach Radheim berufen. Er kämpfte lange Zeit wegen der stark zunehmenden Schülerzahlen für ein neues Schulgebäude. Als es endlich gebaut wurde, war er alt und krank und seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen. Rente gab es damals nicht. Deshalb versuchten alte Lehrer oft, einen Hilfslehrer einzustellen, dem sie einen Teil ihres knappen Gehaltes abgaben. Auch Johann Georg suchte solch einen Kandidaten, der seine Tochter heiraten und ihn pflegen sollte. Aber das war nicht so einfach, denn da durften noch zwei andere Parteien mitreden: Der Landschöff von Radheim und der Pfarrer von Wenigumstadt (!). Denn die untere Schulaufsicht übte der Ortspfarrer aus. Und weil Radheim eine Filiale der Pfarrei Wenigumstadt war, war der Wenigumstädter Pfarrer auch für die dortige Schule zuständig. Es gab zwar eine ganze Reihe von Kandidaten, aber einige wollten die Görtztochter nicht heiraten, andere wurden vom Pfarrer oder vom Landschöff abgelehnt. So blockierten sich Pfarrei und Gemeinde etwa zwei Jahre lang gegenseitig. Die Sache klärte sich erst nach dem Tod des Schulmeisters 1793. Der letzte Kandidat musste nicht die Tochter des verstorbenen Schulmeisters heiraten, sondern er entschied sich für die Tochter eines reichen Bauern, damit er nicht mit dem kargen Lehrergehalt auskommen musste.

Der HGV Wenigumstadt feiert den300. Geburtstag der Alten Kirche am „Tag des offenen Denkmalsam 7. und 8. September mit einem Vortrag, einem Festgottesdienst in der Alten Kirche und einem „Tag der offenen Tür“. Dabei kann man noch viel mehr über die Geschichte der Alten Kirche und Geschichten rund um die damalige Pfarrei erfahren. (EH)
  Grabstein von Peter Görtz

  Grabsteine der Familie Görtz

300. Geburtstag der Alten Kirche –

300. Todestag des Bauherrn

In diesem Jahr wird die Alte Kirche in Wenigumstadt 300 Jahre alt. Dies kann man auf der steinernen Bauinschrift über dem ehemaligen Haupteingang des Gebäudes lesen: „ANNO 1719 IST DIES KIRCH AVFERBAUET WORDEN – DER ZEIT REGIERENTER LANDTSFIRST HERR HERR LOTHARIO FRANCISCO VON SCHÖNBORN – PFARRER DER WOHLERWIRDIGE HERR JOANNES BALDVINI – LANDSCHÖF DER VORACHBARE HERR PETRVS GÖRTZ“. In einem Protokoll von 1719 ist die Rede von „der ohnlängsthin Fundamental abgebrochene Pfarr Kirch“. Welchen Anteil an den Schäden der 30-jährige Krieg oder auch andere Einflüsse hatten, ist nicht bekannt.

Schon 1698 wurden in drei Tagen je drei Altäre in Mosbach und Radheim sowie die Vierzehn-Nothelfer-Kapelle bei Wenigumstadt geweiht. Das ist erstaunlich, denn Wenigumstadt war seit Jahrhunderten die „Mutterpfarrei“ für ihre Filialen Radheim und den Häuser Hof (früher noch zusätzlich Biebigheim). Nach dem 30-jährigen Krieg kam noch Mosbach mit seiner Filiale Dorndiel dazu. Anscheinend waren die Schäden in den anderen Orten nicht so groß, dass ihre Kirchen „fundamental“ neu aufgebaut werden mussten.

Bauherr der Kirche war Pfarrer Johannes Balduini. Er kam 1780 als fünfter einer Reihe wallonischer Pfarrer nach Wenigumstadt. Etwa 90% der Wenigumstädter Bevölkerung hatten den Krieg nicht überlebt, und die wallonischen Einwanderer bildeten die klare Mehrheit. Die verbliebenen „Ureinwohner“ fühlten sich benachteiligt, weil die ersten wallonischen Pfarrer nicht die deutsche Sprache beherrschten. Deshalb gab es viele Klagen an die Obrigkeit. Erst Balduini konnte diese Probleme lösen und die Volksgruppen zusammenbringen. So ist auch verständlich, dass er so lange hier wirkte wie kein anderer Pfarrer, nämlich fast 39 Jahre. In dieser Zeit war er Pfarrer für Wenigumstadt und Mosbach und die dazu gehörigen Filialen. Nach der Fertigstellung seines größten Projektes starb er im Alter von 76 Jahren. Sein Grab kann man heute noch in der Vierzehn-Nothelfer-Kapelle in Wenigumstadt sehen. Die offizielle Einweihung der Kirche erlebte er nicht mehr, denn sie erfolgte erst im Jahr 1728.

Übrigens: Nicht nur Pfarrer Balduini selbst, sondern auch seine Familie hat erhebliche Spuren in Wenigumstadt hinterlassen. In einem Eintrag im Pfarrarchiv schreibt er, dass er seine Nichte Barbara Josephina mit einem Johann Geis aus Wenigumstadt getraut hat. Diese Familie hat 1725 das schöne Fachwerkhaus in der Hauptstraße 34 erbaut. Das Ehepaar Barbara und Johann Geis hat auch in der Bevölkerung gewaltige Spuren hinterlassen. Edmund Jakob hat im Pfarrarchiv über 1600 (!) Personen entdeckt, die über viele Generationen auf dieses Paar zurückgeführt werden können. Natürlich waren auch die anderen Wallonen in dieser Beziehung nicht untätig. So kann man wohl annehmen, dass alle alteingesessenen Wenigumstädter einen mehr oder weniger großen Anteil wallonischer Gene in sich tragen.

Der Heimat- und Geschichtsverein arbeitet zurzeit die Geschehnisse um die Alte Kirche auf und wird sie zum „Tag des offenen Denkmals“ am 7. Und 8. September der Öffentlichkeit vorstellen. Näheres demnächst! (EH)

Bauinschrift an der Alten Kirche

Originalgrabstein von Pfr. Balduini

DRINGEND  GESUCHT

BILDER  VON  ALTER  KIRCHE 

Die Alte Kirche in Wenigumstadt wird in diesem Jahr 300 Jahre alt. Der Heimat- und Geschichtsverein plant anlässlich dieses Jubiläums am 7. und 8. September eine Veranstaltung und möchte dazu – wenn möglich – noch einige Rätsel lösen.

So ist z. B. nur eine einzige Fotografie dieser Kirche in ihrer alten Form bekannt. Man sieht darauf einen Teil des Langhauses, den Turmhelm und ein winziges Stück der Turmmauer. Der Rest ist von den davor stehenden Gebäuden verdeckt (s. Bild). Über die Gestaltung des Turmmauerwerks (Fenster etc.) kann man nur spekulieren. Deshalb weiß man auch nicht, ob der Turm, ebenso wie die Friedhofsmauer, eine Verteidigungsfunktion hatte. Das Gebälk des Turmhelms wurde beim Bau der neuen Kirche (1900 bis 1903) im neuen Turm verbaut. Das Mauerwerk des alten Turms wurde 1911 abgebrochen. Ein Bild aus dieser Zeit oder vorher  könnte uns neue Erkenntnisse vermitteln.

Deshalb die Frage: Liegt irgendwo noch unbeachtet ein Bild des Turmes oder der Kirche, das bisher der Öffentlichkeit noch nicht bekannt ist? Auch Bilder aus dem Innern oder von Ereignissen aus dem kirchlichen Leben wären natürlich sehr interessant. Also bitte nachschauen, ob irgendwo noch alte, verstaubte Bilder liegen, und dem HGV zur Verfügung stellen. Bei den heutigen technischen Möglichkeiten erhält man seine Bilder sofort wieder zurück und nichts geht verloren. Wer fündig wird, möge sich an Erwin Hegmann (Tel. 4570) oder ein anderes Mitglied des HGV wenden.

Wir würden uns über einen oder mehrere Treffer sehr freuen! (EH)                    2019-05

 

Wenigumstädter Bürgermeister

neu arrangiert

Seit vielen Jahren schon hängen im Alten Rathaus von Wenigumstadt Fotos aller Bürgermeister, sofern es Fotos von ihnen gibt. Sie umfassen den Zeitraum von 1853 bis 1978, als Wenigumstadt nach Großostheim eingemeindet wurde.

Auf Anregung von Günter Deboy hat der Heimat- und Geschichtsverein sie alle in einem großen Rahmen vereinigen lassen. Dabei sollten zwei besondere Dinge mit eingefügt werden: eine kgl. bayr. Verdienstmedaille von 1893 und die Amtskette unseres letzten Bürgermeisters Alois Ott. Die Arbeit wurde von der Firma König in Großostheim fachmännisch ausgeführt, und so entstand ein „Hingucker“ im Alten Rathaus, auf dem unsere Bürgermeister diese beiden besonderen Stücke umrahmen.

Das älteste Foto zeigt Johannes Thyroff. Er hat die längste Dienstzeit von allen aufzuweisen, nämlich von 1853 bis 1895. Zu seinem 40-jährigen Dienstjubiläum verlieh ihm „Seine kgl. Hoheit Prinz Luitpold, des Königreiches Bayern Verweser“ (Einen König gab es zu dieser Zeit nicht.) die silberne Medaille des königlichen Verdienstordens der bayrischen Krone. Zur Verleihung wurde in Wenigumstadt eine eindrucksvolle Feier veranstaltet, einschließlich eines Triumphbogens vor dem Rathaus. Erstaunlich ist, dass sich diese Medaille noch in Wenigumstadt befindet. Denn am Tag nach Thyroffs Tod, noch vor der Beerdigung, schrieb der kgl. Bezirksamtmann vom kgl. Bezirksamt Obernburg an den Vertreter des Bürgermeisters einen Brief mit der Aufforderung: „Da dieser Orden höchster Stelle wieder unterbreitet werden muß, so sollen Sie denselben von der Erben des Verlebten erholen und umgehend anhier einzusenden.“ Das ist aber zum Glück nicht geschehen. Das zweite Schmuckstück ist die Amtskette des letzten Bürgermeisters Alois Ott (1966 bis 1978), die er auf eigene Kosten anfertigen ließ.

Das neue Werk hängt am alten Platz im oberen Flur des Alten Rathauses und ist einen Besuch wert. (EH)

Zu viel Ehre für einen Nazi-Funktionär

Aus dem Gemeindeprotokoll von 1938

In diesen Tagen wurde überall des Pogroms der Nazis gegen die Juden gedacht, das sich zum 80. Mal jährte. Aus dem gleichen Jahr ist im Wenigumstädter Archiv eine Geschichte enthalten, wie sie in ähnlicher Form sicher in vielen Gemeinden und Städten geschehen ist. Bei einer Gemeinderatssitzung am 27. 3. 1938  stand nur ein Punkt auf der Tagesordnung: „Ernennung zum Ehrenbürger“. Der Beschluss lautete: „Der Regierungspräsident und Gauleiter von Mainfranken Dr. Otto Hellmuth wurde wegen seiner Verdienste die er im Gau Mainfranken somit auch unserer Gemeinde erwiesen hat zum Ehrenbürger ernannt.“ In der Spalte „Äußerungen der Gemeinderäte“ steht nur: „Die Gemeinderäte sind mit dem Vorschlag des Bürgermeisters einverstanden.“ Ob die Einigkeit echt oder erzwungen war, wird man wohl nie mehr erfahren. Aber nachdem die NSDAP das Leben im Dritten Reich weitgehend gleichgeschaltet hatte, war Kritik an der Partei oder gar an Adolf Hitler sehr gefährlich.

 Für den Geehrten war die Auszeichnung wohl mehr eine Routinesache. Ein 14-jähriger Schüler aus Wenigumstadt schrieb darüber einen Bericht mit der Überschrift: „Staatsbesuch in Wenigumstadt“, in dem es heißt: „Alle Straßen und Häuser waren festlich geschmückt. Alle Schulkinder hatten Hakenkreuz und begrüßten den Gauleiter mit Heilrufen. Der Bürgermeister begrüßte den hohen Besuch als Ehrenbürger der Gemeinde Wenigumstadt und überreichte ihm gleichzeitig die Ehrenbürgerurkunde. Der Gauleiter begrüßte und sprach kurz zu den Volksgenossen. Er bedankte sich für die hohe Auszeichnung mit dem Ehrenbürgerrecht.“ Dann wurde die Veranstaltung „mit dem Gesang des Deutschland- und des Horst-Wessel-Liedes geschlossen.“

-Wer war Otto Hellmuth?

Er war seit 1928 Gauleiter der NSDAP und ab 1934 Regierungspräsident von „Unterfranken und Aschaffenburg“, 1937 umbenannt in „Mainfranken“. Nur ein Ereignis aus seiner Tätigkeit sei hier erwähnt. Es reicht aus, um ihn und die damalige Zeit zu charakterisieren. Am 23. September 1940 besuchte er die Heil- und Pflegeanstalt in Werneck, wo Behinderte und Geisteskranke untergebracht waren. Diese Menschengruppe wollte Adolf Hitler als „lebensunwertes Leben“ ebenso ausrotten wie die Juden und einige andere Gruppen. Bei diesem Besuch verfügte er die sofortige Räumung der Anstalt und beschlagnahmte sie für Umsiedler. Vom 3. bis 6. Oktober wurden alle 777 Patienten verlegt. Für solche Maßnahmen hatte Hitler ein eigenes Transportunternehmen geschaffen. Die Hälfte der Patienten kam nach Lohr, die anderen kamen über einige Zwischenstationen in zwei Tötungsanstalten, Schloss Sonnenstein bei Pirna und Schloss Hartheim bei Linz, wo sie vergast wurden. Diese Art der Ermordung nannte man damals „Euthanasie“ (griech.: schönes Sterben). Die Angehörigen erfuhren von dieser Verlegung nichts, doch innerhalb von zwei Monaten erhielten sie eine Sterbebescheinigung aus den Euthanasie-Anstalten. Hellmuth hatte ihnen vorher versprochen, dass sie nach der Umsiedelungsaktion alle nach Werneck zurückkehren könnten.

-Was machte O. Hellmuth nach dem Krieg?

Zunächst konnte er unter falschem Namen untertauchen. Dann wurde er von der britischen Militärpolizei gefasst und zum Tod durch den Strang verurteilt. Nach einem Gnadengesuch wurde diese Strafe in lebenslängliche Haft umgewandelt und später auf 20 Jahre ermäßigt. Er saß bis 1955 in Landsberg und wurde dann im Rahmen einer Begnadigungswelle entlassen. Er sorgte weiter für Aufsehen und Empörung, als er eine „Heimkehrerentschädigung“ beantragte, die er nach fünfjährigem Prozessieren durch alle Instanzen bewilligt bekam. Trotz Protesten der Kassenärztlichen Vereinigung erhielt er als Zahnarzt in Reutlingen den Vorzug vor 21 Mitbewerbern, weil er die älteste Approbation vorweisen konnte (was nach den damaligen Regeln korrekt war).

Im Gefängnis in Landsberg am Lech hatte er 1947 einen misslungenen Selbstmordversuch unternommen, bei dem er mit seinem eigenen Blut „Heil Hitler“ an die Zellenwand schrieb. Dasselbe Vorgehen wiederholte er 1968 – diesmal mit Erfolg – im Alter von 72 Jahren in seinem Haus in Reutlingen, und zwar am 20. April (Hitlers Geburtstag). „Verbohrt bis zuletzt“ war die Einschätzung seiner ältesten Tochter Gailana, die mit 21 Jahren ihren Vornamen ändern ließ. So hieß nämlich die Frau eines fränkischen Herzogs, die nach der Legende die „Frankenapostel“ Kilian, Kolonat und Totnan ermorden ließ. Otto Hellmuth hatte wohl sogar bei der Taufe seiner Tochter Hintergedanken.

-Was machten die Wenigumstädter mit diesem Ehrenbürger?

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches hob der neue Gemeinderat in seiner ersten Sitzung am 29. April 1945 die Ehrenbürgerwürde mit sofortiger Wirkung auf. Begründung: „Dr. Otto Hellmuth ist als früherer Gauleiter von Mainfranken mitverantwortlich für alle Verbrechen, die unter der Regierung Hitler begangen wurden.“ Wenigumstadt stand mit dieser Maßnahme mit in der ersten Reihe. Viele Gemeinden und Städte, die zum Teil eine ganze Reihe von Nazi-Größen einschließlich Adolf Hitler zu Ehrenbürgern ernannt hatten, brauchten dazu viel länger.

November 2018

Erwin Hegmann

Ein besonderer Bürgermeister:

Johann Thyroff,

42 Jahre Bürgermeister in Wenigumstadt

 

Im Alten Rathaus von Wenigumstadt gibt es eine Bildergalerie mit den Bürgermeistern des Dorfes. Der erste von ihnen, der fotografisch dokumentiert ist, heißt Johann Thyroff. Er hat etwas Erstaunliches geschafft: Er war 42 Jahre Bürgermeister von Wenigumstadt, von 1853 bis zu seinem Tod 1895. Zu seinem 40. Dienstjubiläum verlieh ihm „Seine Kgl. Hoheit Prinz Luitpold, des Königreichs Bayern Verweser“ die silberne Medaille des königlichen Verdienstordens der bayrischen Krone. Was für ein besonderes Ereignis das für Wenigumstadt war, konnte man damals in der Zeitung „Obernburger Bote“ lesen. In einem sehr umfangreichen, geradezu euphorischen Artikel fanden sich wahre Lobeshymnen über ihn. Zu Beginn hieß es: „Ein seltenes und hehres Fest war es, welches die hiesige Gemeinde heute in gehobenster Stimmung und begünstigt vom besten Wetter feiern konnte, ein Fest zu Ehren unseres hochverdienten und ebenso geschätzten Herrn Bürgermeisters Johann Thyroff, welcher als solcher seit 40 Jahren an der Spitze unserer Gemeinde steht und es auch unter oftmals schwierigen Verhältnissen trefflich verstanden hat, das gemeindliche Schiff als bewährter Steuersmann glücklich zu führen.“ Die Straßen waren festlich geschmückt und vor dem Rathaus erhob sich sogar ein Triumphbogen. Ein Festzug, angeführt vom kgl. Bezirksamtmann in Gala-Uniform, gefolgt von zahlreichen Amtsträgern, Prominenten und Gemeindebürgern zog vom Gasthaus Krone zum Haus des Jubilars, um ihn zum Rathaus zu geleiten, wo die Feier stattfand. Zum Abschluss der Feierlichkeiten ließ die Gemeinde am Abend ein Feuerwerk abbrennen.

 

Als Thyroff knapp zwei Jahre später starb, wurden seine Verdienste (auch in anderen Ämtern) wieder entsprechend gewürdigt. Eine Sache wirkt aber auf uns heute sehr befremdlich: Gleich am nächsten Tag, noch vor der Beerdigung, schrieb der kgl. Bezirksamtmann Herold vom kgl. Bezirksamt Obernburg einen Brief „An den Herrn Beigeordneten in Wenigumstadt“ mit folgendem Wortlaut:

 

„Betreff:

 

Ableben des Bürgermeisters Thyroff in Wenigumstadt

 

Dem verstorbenen Bürgermeister Thyroff wurde i. J. 1894 die silberne Medaille des Verdienstordens der bayr. Krone allergnädigst verliehen.
Da dieser Orden höchster Stelle wieder unterbreitet werden muß, so sollen Sie denselben von den Erben des Verlebten erholen und umgehend anhier einzusenden.“

 

Eine sehr schnelle und nicht sehr taktvolle Reaktion des kgl. Bezirksamtmanns!

 

Umso erstaunlicher ist es, dass diese Medaille sich heute noch in Wenigumstadt befindet! Wie das geschehen konnte, ist unbekannt. Lange Jahre hing sie in der Bildergalerie der Bürgermeister als vermeintliche „Amtskette“ von Johann Thyroff. Günter Deboy hat nun in dieser Sache das Archiv der Gemeinde Wenigumstadt inspiziert und den wahren Sachverhalt erkundet. Es ist eindeutig die Medaille des kgl. bayr. Verdienstordens. Auf der Vorderseite zeigt sie das Bild des Königs Ludwig II., des „Märchenkönigs“. Dieser war zu diesem Zeitpunkt zwar schon tot, aber es gab noch keine neue Medaille, denn es gab ja auch noch keinen neuen König. Der eigentliche Thronfolger, Ludwigs Bruder Otto, wurde zwar nominell bayrischer König, doch wegen einer fortgeschrittenen, unheilbaren Geisteskrankheit konnte er dieses Amt nicht ausüben. Er wurde in Schloss Fürstenried interniert und wurde durch seinen Onkel, Prinzregent Luitpold, als „Reichsverweser“ vertreten.

 

Das ändert aber nichts an der Bedeutung dieser Auszeichnung für Bürgermeister Thyroff und die ganze Gemeinde. (EH)

 

Verdienstmedaille

Wissenswertes aus unserer Geschichte
von Edmund Jakob 

  Schon vor 7000 Jahren, als in Mitteleuropa die ersten Menschen sesshaft wurden und die frühesten Bauernkulturen entstanden, lockte der fruchtbare Boden unserer Umgebung die frühen Siedler an. Zahlreiche Funde aus der Zeit der Bandkeramik und aller folgenden Kulturen der Vorgeschichte belegen, dass die Gemarkung Wenigumstadts seit den Anfängen kontinuierlich besiedelt ist. Auch die Römerzeit hinterließ bei uns Spuren, die heute noch sichtbar sind. Spätestens seit dem 5. Jahr-hundert n. Chr. bewohnten Menschen den heutigen Ortsbereich von Wenigumstadt. Ein großes Gräberfeld am alten Ortsrand mit Bestattungen aus dem 6. bis ins 8. Jahrhundert zeugt von alemannischen und fränkischen Bewohnern unseres Dorfes.Urkundlich lässt sich Wenigumstadt zwar erst 1229 als „villa Omestad minore“ ein-deutig nachweisen. Dass diese Siedlung aber schon wesentlich früher bestanden haben muss, zeigt eine Urkunde, die nur 15 Jahre später ausgestellt worden ist. 1244 schon war die Nachbargemeinde Radheim Filiale der Pfarrei Wenigumstadt. Da zur Pfarrei Wenigumstadt auch noch der Häuserhof und das spätestens Anfang des 16. Jahrhunderts verlassene Dorf Bibigheim gehörte, das schon im 8. Jahrhundert urkundlich belegt ist, können wir von einer im Mittelalter nicht unbedeutenden Siedlung ausgehen.Eine Blütezeit für Wenigumstadt war wohl das 16. Jahrhundert. Wenigumstadt wuchs zu einer beachtlichen Größe, und die Errichtung des Rathauses in aufwendiger Zierfachwerkbauweise, belegt auch heute noch den Stolz und den Reich-tum der damaligen Einwohner.Die Schrecken des folgenden 30 jährigen Krieges von 1618-48 mit Einquartierungen und Seuchen brachten der Bevölkerung Not und Elend und wirkten sich ver-heerend aus. Mehr als 90% der Menschen kamen um, die Häuser lagen zum größten Teil Schutt und Asche, und die fruchtbaren Felder verwüsteten.1651 begann die Einwanderung „welscher“ Familien in das verödete Wenigum-stadt. Aus welchen Gegenden Walloniens und Flamens die frühesten Einwanderer kamen, wissen wir nicht. Nur ihre Namen kennen wir: Clos, Crux, Frankh, Frantz, Horling, Knabae, Lambrix, Millemann, Mottard, Ramackher, Reskes. Sie brachten ihren Pfarrer Christoph Ferdinand Loyer aus Schaltin, bei Namur, in der Diözese Lüttich mit, der sie bis zu seinem Tod 1660 betreute. Er hatte wie sie selbst größte Probleme mit der deutschen Sprache, und es kam zu erheblichen Streitigkeiten mit der überlebenden einheimischen Minderheit.Bei einer zweiten Welle von Neubürgern in den 60er und 70er Jahren des 17. Jahr-hunderts mit einer Reihe neuer Namen erfahren wir auch etwas über ihre Herkunft-sorte: Berchlon (Borgloon), Fechmoll (Vechmaal), Hortmal (Horpmaal), Krisnee (Crisnee), Otrenge (Otrange), Grafschaft Lossen. Meist heißt es aber nur ex belgio, ex patria leodiensi oder ex dioecesis leondiensis. Ob die Muttersprache dieser spä-teren Einwanderer wirklich Französisch war, wird heute vielfach angezweifelt, da ihre Heimatorte nördlich der Sprachgrenze im Städtedreieck Lüttich – Maastricht – St. Trond liegen.Auch die Nachfolger des Pfarrers Loyer kamen aus dem Lütticher Land. Es waren Peter Dassis (1661-66), Georg Junnemann (1666), Johannes Adami (1667-1680) und Johannes Balduini (1680- 1719). Unter Peter Dassis verbesserte sich das Ver-hältnis zwischen Einwanderern und Alteigesessenen ganz erheblich, und es kam jetzt zu einer größeren Zahl von Eheschließungen zwischen Einheimischen und „Welschen“.Pfarrer Balduini, der aus Verviers stammte, und fast 40 Jahre die Ortsgeschichte Wenigumstadts maßgeblich mitbestimmte, ließ 1719, kurz vor seinem Tod, das Langhaus der mittelalterlichen Kirche wegen Baufälligkeit abreißen und ein neues errichten. Im Untergeschoß dieser alten Kirche ist heute das Feuerwehrgerätehaus untergebracht.Mit Pfarrer Balduini und den eingewanderten Wallonen wird auch das berühmte Tafelbild der Vierzehn Nothelfer in Verbindung gebracht, das wir in der Wenigumstädter St. Sebastianus -Kirche bewundern können. Nach der mündlichen Überlieferung soll er das Bild mit seinen Einwanderern aus den Niederlanden mitgebracht haben. Neuere Forschungen haben aber ergeben, dass dieses Tafelbild, das spä-testens zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden ist, aus dem fränkischen Raum stammen muss. Es steht auch fest, dass Balduini nicht unmittelbar aus der Diözese Lüttich nach Wenigumstadt kam, sondern schon vorher 2 Jahre lang Pfarrer im Fürstbistum Mainz gewesen ist. Vereinzelte Einwanderungen „ex patria leondiensi“ zu Begin der Amtszeit Balduinis in Wenigumstadt scheinen nicht mit ihm in Verbin-dung zu stehen. Nach 1690 kamen nur noch wenige Neubürger aus den Nieder-landen, nur bei einigen Familiennamen kann man eine Herkunft von dort anneh-men. Balduinis Grab ist heute in der Nothelferkapelle unseres Dorfes zu finden, die von ihm und den wallonischen Einwanderern erbaut worden sein soll und ur-sprünglich das Nothelferbild beherbergte. Im Herbst 1998 konnten die Wenigum-städter den Tag der Kapellenweihe vor 300 Jahren feien.1803 wurde das Kurfürstentum Mainz, dem Wenigumstadt viele Jahrhunderte an-gehörte, in der Säkularisation aufgehoben. Wenigumstadt kam wenige Jahre später zum Königreich Bayern. Im 19. Jahrhundert nahm die Zahl der Einwohner stark zu. Die Armut der Mehrzahl der Bewohner wurde so groß, dass viele Familien und jun-ge Leute ihr Glück in Amerika suchten und auswanderten.Weil die „alte Kirche“ auf sehr feuchtem Grund stand, sehr ungesund und viel zu klein für die Ortsbewohner geworden war, baute man zu Anfang des 20. Jahrhun-derts gegenüber der Schule, damals noch außerhalb des alten Orts, eine neue Kir-che. Nach dreijähriger Bauzeit wurde sie 1903 eingeweiht.Nach dem 2. Weltkrieg, der Leid und Verzweiflung in manche Familie gebracht hat-te, und in dessen Folge viel Menschen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben worden waren, wandelte sich Wenigumstadt von einem stark bäuerlich geprägten Dorf zu einer modernen Wohngemeinde mit Neubaugebieten rund um den alten Ortskern. Die Heimatvertriebenen, die nach dem Krieg in unserem Dorf eine neue Bleibe gefunden hatten, waren sehr bald integriert. Sie haben viel zu dem Aufschwung Wenigumstadts beigetragen.Am 1. Mai 1975 verlor Wenigumstadt in der Gebietsreform seine kommunale Selbstständigkeit und ist heute mit etwas mehr als 2000 Einwohnern der kleinste Ortsteil des Marktes Großostheim.

Edmund Jakob

Vor 55 Jahren brannte die WUMA

-Ende des Maschinen- und Apparatebaus in Wenigumstadt-

An einem Samstagmorgen, dem 5.10.1968, also vor 55 Jahren, beendet ein Großbrand eine kurze Zeit damals modernen Maschinenbaus am östlichen Ortseingang von Wenigumstadt.

Seinerzeit war der Samstag noch ein normaler Arbeitstag, 30-Stunden-Woche hatten Halbtagskräfte. Mitarbeiter Norbert Eppig berichtet über die (Vor-)Geschichte der Firma WUMA und des Brandes als Zeit- und Augenzeuge. In einem Protokolleintrag von Ernst Kämmerer für die Feuerwehr Wenigumstadt kann man ebenso interessante Details nachlesen. Beide Dokumente können auf der Homepage des Heimat- und Geschichtsvereins eingesehen werden. Norbert Eppig selbst steht jedem gerne persönlich für Nachfragen zur Verfügung. Manche Anekdote findet man nicht in seiner Niederschrift, sind „nichts für die Zeitung!“.

Schade, dass kein Straßenname im langsam bebaubar werdenden WUMA-Leilich-Neubaugebiet an diese Industriegeschichte erinnert. Leider gilt das auch für eine andere einstige Industriefläche, die den Straßennamen „Am Sägewerk“ verdient gehabt hätte. Schautafeln vor Ort könnten zur Heilung der Erinnerungskultur beitragen.

Dr. Uwe Augustin wird auch auf diese und einige andere Lost Places in seinem Vortrag am 30.9.23 im Pfarrheim eingehen. Die Bevölkerung ist hierzu ebenso kostenfrei eingeladen, wie zu einer Gemäldeausstellung am 1. und 3. Oktober in der Alten Kirche. (KDJ)

Bericht von Norbert Eppig aus dem Gedächtnis (2023)

 

Die Firma Wuma wurde von Heinrich Leilich, Diplom Ingenieur und seiner Frau Ria in den Nachkriegsjahren 46/47 gegründet. Der Name Wuma ist die Abkürzung für Wenigumstädter Maschinen- und Apperatenbau. Die erste Betriebsstätte war eine Scheune mit Stall, die dem Sägewerkbesitzer Isidor Zahn gehörte. Die ersten Mitarbeiter waren die Wenigumstädter Franz Kömmling, Kurt Borbe, Friedel Deboy und der aus Mosbach stammende Heinz Steigerwald, sowie Eugen Deboy aus Radheim und Georg Morbitzer als Auszubildender. Bis zum Neubau einer neuen Werkshalle in 1954 in der Pflaumheimer Straße war man hauptsächlich mit Reperaturen von landwirtschaftlichen Geräten und der Herstellung von Anhängerkupplungen für Traktoren des Herstellers Güldner beschäftigt.

Mit dem Umzug in die neue Halle, sowie mit den Werkzeugmaschinen, wuchs die Belegschaft auf ca. 20 Mitarbeiter an. Die Fa. Wuma war jetzt der größte Arbeitgeber in Wenigumstadt. In den einzelnen Abteilungen wie Dreherei, Schweißerei, Gestellbau und Lackiererei wurden jetzt für große Firmen wie Veith-Pirelli, Metzeler Odenwald, Gummi Meier in Landau, Formen und Werkzeuge für die Herstellung von Reifen und Maschinenteile verschiedenster Art hergestellt. Auch die Ausbildung zum Metallfacharbeiter wurde erweitert. So wurden in den folgenden Jahren Reinhold Jörg, Heinz Doleschal, Rudi Zahn, Werner Spieler, Reinhold Schad, Gustel Schaub und einige Pflaumheimer, Mömlinger und Mosbacher zum Facharbeiter als Dreher, Schweißer und Werkzeugmacher ausgebildet.

Nun zum Ende der Firma Wuma.

Am Samstag, den 4. Oktober 1968, kurz nach Arbeitsbeginn begann ein Mitarbeiter mit einer Flex, Schweißnähte glatt zu schleifen. Nachdem einige Funken in einer mit Nitro verdünnten Farbwanne (ca. 3 x 4m groß) gelangten, entstand eine kleine 20 cm große Flamme.

Statt diese mit einer Blechtafel oder Plane abzudecken, versuchte der Kollege mit einer Gießkanne Wasser die kleine Flamme zu löschen. Darauf wuchs die Flamme in sekundeschnelle bis an die Decke. Es folgte eine Staubexplosion. Durch diese Explosion wurden die Fensterscheiben schwarz und in der Werkshalle wurde es stockdunkel. Die Einfahrt der Halle war nur noch als kleiner, heller Punkt zu erkennen. So gelang allen die Flucht aus der brennenden Halle. Die Wenigumstädter Feuerwehr unter der Leitung des Kommandanten Alfred Jakob und dessen Stellvertreters Herbert Gutsfeld war machtlos gegen dieses Feuer. So versuchte man das Gas- und Sauerstofflager zu kühlen. Bis auf eine Sauerstofflasche ist dies gelungen. Durch die Explosion dieser Flasche und der entstandenen Druckwelle wurden zahlreiche Fensterscheiben, Dächer und Türen in der Nachbarschaft beschädigt. Der Brandverursacher wurde für den Schaden nicht haftbar gemacht, da er kein Facharbeiter war. Da die Familie Leilich kinderlos war, stellte uns Herr Leilich seinen geplanten Nachfolger ein paar Tage vor dem Brand vor. Es war ein Verwandter, der aus Amerika kam. Leider kam es nicht zum Wiederaufbau. Dieser Bericht vom Anfang und Ende der Firma Wuma wurde von Norbert Eppich erstellt, der bis zum Brand 8 Jahre als Dreher dort arbeitete.


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